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Jahresbericht

Jahresbericht 2021

Wenn es um konkrete Risikoeinschätzungen geht, tun wir uns oft sehr schwer. Wir fürchten uns vor Haiangriffen, obwohl die Wahrscheinlichkeit, beim Schwimmen von einem Hai attackiert zu werden, bei 1 zu 30 Millionen liegt. Und wenn man den Urlaub am Bodensee verbringt, sogar noch geringer.

Zunächst einmal müssen wir uns von dem Irrglauben
befreien, es gäbe ein Nullrisiko. Nullrisiko und damit hundertprozentige Sicherheit war schon immer eine Illusion. Der Ankylosaurus lebte vor rund 66 Millionen Jahren mit einem perfekten Ganzkörperpanzer ohne natürliche Feinde. Er hatte die besten Voraussetzungen zu überleben, ein eigentliches

Die Frage, die wir uns stellen sollten, lautet also nicht: Wie können wir die Illusion – ein Nullrisiko – erreichen?
Sondern:
Welche Risiken (er)kennen wir, wie können wir Risikofaktoren gegeneinander abwägen und auf diesem Wissen informierte kompetente Entscheidungen treffen?

Nullrisiko zu sterben – ausgestorben ist er trotzdem.
…warum erzähle ich Ihnen das?
Man kann sie hören, als dumpfe Schreie aus der Nachbarwohnung, man kann sie sehen, wenn sie Kratzer und Hämatome an den Körpern der Opfer hinterlässt. Meist aber bleibt häusliche Gewalt im Verborgenen, wird von Außenstehenden nicht ohne Weiteres bemerkt. Gerade weil Opfer in der häuslichen Umgebung der Gewalt schutzlos ausgeliefert sind und oftmals auf Grund der engen Beziehung zum Täter von einer Anzeige absehen, sind die Einschätzung und Bewertung des Risikos häuslicher Gewalt eine der wichtigsten Aufgaben in unserer Arbeit, um die Opfer vor weiteren extremen Gewalt- oder tödlichen Straftaten bewahren und Hilfsangebote installieren zu können.

Aber ein Risiko wahrzunehmen und zu bewerten, greift zu kurz, wenn es dabei bleibt.

Damit es nicht dabei bleibt, setzen wir uns jeden Tag mit unserer Arbeit dafür ein, das Bewusstsein (weiter) zu entwickeln, dass bestimmte Verhaltensweise häusliche Gewalt darstellen und häusliche Gewalt eine Menschenrechtsverletzung ist.

Das Ziel ist unser Weg


Die Familie, so hatte Straus, ein bekannter amerikanischer Soziologieprofessor, schon in den 90er-Jahren geschrieben, ist die gewalttätigste Institution, die man erleben kann, ein geschlossenes System, eine Mischung aus abgekapselter privater Atmosphäre, hoher gegenseitiger Verpflichtung und Anfälligkeit für extreme emotionale Stresszustände. An dieser Aussage hat sich bis heute nichts geändert, auch nicht an dem Wissen, dass weltweit durchschnittlich jede dritte Frau Opfer von häuslicher Gewalt wird und viele Frauen wiederholt betroffen sind.

Und auch an diesem Wissen hat sich nichts geändert: Häusliche Gewalt kennt keine sozialen Grenzen.

Die Gewalttäter sind zwischen 20 und 50, manchmal auch älter, mit Migrationshintergrund, manchmal ohne, mit einem niedrigen bis mittleren Bildungsgrad, manchmal mit Abitur oder Hochschulabschluss, aus allen Berufsgruppen: Handwerker, Kommissar, Schulleiter, manchmal auch arbeitssuchend, (un)bekannter Ersttäter, manchmal auch (un)bekannter Mehrfachtäter, angezeigt, manchmal auch nicht.

Erinnern Sie sich? Eine der wichtigsten Aufgaben in unserer Arbeit, um die Opfer vor weiteren extremen Gewalt- oder tödlichen Straftaten bewahren und Hilfsangebote installieren zu können, ist die Einschätzung und Bewertung des Risikos häuslicher Gewalt, also: die Frage zu stellen, welche Risiken (er)kennen wir, wie können wir Risikofaktoren gegeneinander abwägen.

Hierzu hat das Innenministerium im Laufe des Jahres 2021 einzelne Polizeipräsidien mit der Erprobung eines neuen Konzepts beauftragt und nach Schaffung aller organisatorischen Voraussetzungen dessen landesweite Umsetzung ausgerollt. Kernpunkte des Konzepts sind eine Risikoanalyse und ein Gefahrenmanagement bei der Fallbearbeitung.


Konkret wird sich im multidisziplinären Austausch zwischen den Netzwerkpartnern zunächst ein Überblick über alle Aspekte der Situation geschaffen. Dazu gehören sowohl Informationen über den Täter, als auch über das Opfer sowie die Geschichte der Gewalt. Diese eher informelle Bewertungspraxis wird um das Prognoseinstrument ODARA (Ontario Domestic Assault Risk Assessment) erweitert.

Der ODARA berechnet aufgrund von Items, wie sich das Risiko eines Mannes, der bereits einmal seine Lebensgefährtin angriff, im Verhältnis zu ähnlichen Tätern darstellt. Es berechnet außerdem die Wahrscheinlichkeit, dass er in Zukunft wieder Übergriffe gegen seine Lebensgefährtin setzen wird. Die ODARA-Items beinhalten unter anderem frühere häusliche und nicht häusliche Gewalt, Drohungen, das Vorhandensein von Kindern in der Beziehung, Substanzmissbrauch…

Ergänzend zu dem polizeilichen Assessment nutzen wir in unserer Arbeit das Diagnoseinstrument DyRiAS und stellen die Ergebnisse zur Verfügung.

Hinter DyRiAS steht die Erkenntnis, dass eine schwere zielgerichtete Gewalttat immer den Endpunkt eines Entwicklungsweges darstellt. Dieser Weg ist begleitet von charakteristischen Merkmalen im Verhalten und in der Kommunikation des späteren Täters. DyRiAS erfasst deshalb solche verhaltensorientierten Warnsignale und bewertet auf dieser Basis, ob ein Weg zu einer möglichen schweren Gewalttat eingeschlagen ist und wenn ja, wie viele Schritte bereits gegangen worden sind. Eine hierüber frühe Wahrnehmung möglicher Risikoentwicklungen soll dazu führen, dass ein Eskalationsprozess verhindert werden kann.

In der Zusammenschau der Einzelaspekte können wir interdisziplinär Fälle mit hohem Risiko identifizieren, das Vorgehen koordinieren, Verantwortlichkeiten direkt klären, einzelfallbezogen geeignete Maßnahmen abstimmen und letztendlich das Risiko für weitere Gewalt versuchen zu reduzieren.

Das Ziel ist unser Weg


Die aktuelle Statistik des Ortenaukreises zeigt, dass wir in unserer Fachberatungsstelle Häusliche Gewalt und Stalking mehr als 30 % der Beratungsfälle im Kreis abdecken, konkret waren es in 2021 mehr als 450 Ratsuchende nach häuslicher Gewalt. Während der Hochzeiten der Pandemie mussten wir oft unter hohem Zeitdruck arbeiten und die Frauen sahen nur in der Unterbringung in einem Schutzhaus eine Lösung. Allmählich sind wir wieder länger im Beratungsprozess und die Frauen können auch Optionen außerhalb des Frauenhauses (z. B. durch Anwendung des Gewaltschutzgesetzes) für sich denken.

Über unsere mobilen Teams leisten wir seit 2021 ambulante Beratungsarbeit dezentral im gesamten Ortenaukreis. Zur Standorterweiterung außerhalb von Offenburg haben wir Kooperationen mit Lahr, Kehl, Kinzigtal, Renchtal und Achern geschlossen und bieten nach Absprache niederschwellige Vor-Ort-Beratungen an.

Das Frauenhaus Ortenau war im vergangenen Jahr 2021 voll belegt und hat 300 Frauen und ihren Kindern einen Schutzplatz bieten können. 79 Hilfesuchende mussten wir seit Jahresbeginn wegen Vollbelegung ablehnen. In diesen Fällen bemühen wir uns um einen Platz in einem anderen Frauenhaus. Oder wir geben die Telefonnummern von Frauenhäusern mit, in denen es noch freie Plätze geben soll. Wie viele Frauen bei der dann eigenen Suche den Mut und die Kraft verlieren und beim Täter bleiben, wissen wir nicht. Selten melden sie sich ein zweites Mal – hoffentlich ein gutes Zeichen, vielleicht das Gegenteil.


Die staatlichen Fördermittel reichen nicht aus, damit der Verein Frauen helfen Frauen Ortenau e. V. jeden Tag unbesorgt antreten kann, betroffenen Frauen und ihren Kindern Schutz, Beratung und Begleitung zu geben. All die Menschen, die uns durch ihre Spenden und Mitgliedsbeiträge unterstützen, sind für uns und unsere Arbeit unerlässlich.

Wir freuen uns über jede Spende!
Die Spenden sind steuerlich absetzbar.

Unser Spendenkonto:
Frauen helfen Frauen Ortenau e. V.
Volksbank Offenburg eG
IBAN DE39 6649 0000 0006 6493 00
BIC GENODE61OG1

All den Menschen, die uns in unserer täglichen Arbeit mit von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern unterstützen, ist es Zeit, DANKE zu sagen.

DANKE

dass Sie hinschauen und zuhören.

DANKE

dass Sie uns durch Ihre Spenden und Zuschüsse unterstützen.

DANKE

dass wir uns immer auf Sie verlassen können.

Jahresbericht 2020

Die kurze Ruhephase nach Fastnacht 2020, als Corona kam und blieb, das war zu ahnen, bedeutete erstmal nichts. Polizei, Schutzeinrichtungen und Krankenhäuser wissen aus Erfahrung, dass die Gewalt in Ausnahmesituationen steigt.

Trotzdem zeichnet sich ein ambivalentes Bild:

In einigen Bereichen gingen die Straftaten zurück, es gab allgemein weniger Gewaltkriminalität in Deutschland und weniger schwere Körperverletzungen als noch vor einigen Jahren. Im Bereich häuslicher Gewalt stellt die Polizei zwar zeitliche und räumliche Schwankungen der Anzahl der Meldungen wegen häuslicher Gewalt fest, ein landesweiter Anstieg der gemeldeten Straftaten war nicht zu verzeichnen.

Ist trotz Corona alles noch mal gut gegangen?

Diese Frage drängt sich bei dem vorliegenden offiziellen Zahlenmaterial der Polizeistatistiken auf. Und sie klingt nahezu absurd mit Blick auf die Realität der Fachberatungsstellen und Schutzeinrichtungen und der Warnung der Vereinten Nationen, dass sich häusliche Gewalt zu einer Schatten-Pandemie, einer Pandemie in der Pandemie entwickelt.

Immer mehr Studien belegen einen Anstieg der häuslichen Gewalt in der Zeit der staatlich auferlegten sozialen Isolation, der strengen Kontakt- und Bewegungsbeschränkungen von mehr als 3 %.

Und wie passen die statistischen und die realen Daten zusammen? Es gibt nur eine Erklärung – viele Übergriffe geschehen unter dem Radar, werden in keiner Polizeidatenbank auftauchen und die Corona-Krise fordert mehr Opfer, als die Statistiken je darstellen können. Oder anders ausgedrückt: Was wir im Hellfeld sehen ist deutlich geringer als das, was wir im Dunkelfeld erahnen. Zu vermuten ist, dass sich das Gewaltpotenzial aus dem öffentlichen Raum nach Hause verschiebt – die Gewalt ist ja nicht einfach weg.


In der Krise wird noch etwas schmerzlich sichtbar, was – wie die hohen Dunkelziffern – lange bekannt ist: In Deutschland gibt es viel zu wenig Schutzplätze und das auf Kante genähte Hilfssystem gerät an seine Grenze bzw. steht schon am Limit.

Ausgehend von einem Bedarf an einem Schutzplatz pro 7.500 gemeldeten Personen ergibt sich für Deutschland in 2020 ein Mangel von fast 3.900 Plätzen. Der Europarat geht in seinen Empfehlungen noch einen Schritt weiter und spricht im Wissen um die durchschnittliche Kinderzahl in Familien von sog. „Familienplätzen“. Gemäß diesen Empfehlungen müssten für jeden Platz in einem Frauen- und Kinderschutzhaus zusätzlich 1,5 Plätze für Kinder vorgehalten werden. Ein Abgleich mit der Vor-Ort-Erhebung zeigt einen aktuellen belegbaren Fehlbedarf von monatlich 20 Plätzen im Ortenaukreis.

Dass die Zahl der Schutzplätze nicht annähernd ausreicht und hier dringend Abhilfe geschaffen werden muss, wissen viele, nicht nur die, die in
diesem Hilfesystem arbeiten und seine Schwächen kennen. Nicht viele wissen um die z. T. grotesken Situationen, die bei der Aufnahme einer Frau mit ihren Kindern entstehen können. Zum Verständnis sei erwähnt, dass die Finanzierung in den meisten Frauenhäusern über Tagessatz läuft. Das bedeutet, jeder Platz, der belegt ist, kann grundsätzlich finanziert werden, was aber nicht heißt, dass er dies zwangsläufig auch wird.

Hat die Frau z. B. nicht alle Papiere dabei und kann sie auch nicht besorgen (weil der Ehemann nicht wissen darf, wo sie ist), sind nicht alle ausländerrechtlichen Fragen geklärt oder besteht eine Wohnsitzauflage (die trotz des Schutzauftrags nicht aufgehoben wird), versagt der Leistungsträger die Zahlung an die Trägerin des Frauenhauses. Aus dieser Angst heraus nehmen viele Frauenhäuser gar keine Frauen mehr auf, die die inoffiziellen Aufnahmekriterien nicht erfüllen (können).


Wir als Verein Frauen helfen Frauen Ortenau e.V. stellen uns gegen diese Absurdität und bieten den Frauen und ihren Kindern einen Schutzplatz – mit
oder ohne Papiere, mit oder ohne geklärtem Status. Der Hilferuf nach häuslicher Gewalt muss in unserem Verständnis immer lauter sein als der Ruf nach Finanzierung. Die Frauen, die zu uns kommen, haben viel Mut aufgebracht, sich aus der Gewaltsituation zu lösen. Die Probleme zu entwirren bedeutet nicht nur, die Frauen zu unterstützen, die Erlebnisse zu verarbeiten, sondern selbstverständlich auch, Anträge ausfüllen, Dokumente besorgen, Finanzen klären. Das alles aber erst dann, wenn die Frau und ihre Kinder in Sicherheit sind.

In der Fachberatungsstelle Häusliche Gewalt und Stalking in Offenburg wurde ein neuerlicher Anstieg von rund 20 % (auf aktuell 477) in der ambulanten Beratungsarbeit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnet. Das Frauenhaus Ortenau war im vergangenen Jahr 2020 voll belegt und hat 255 Frauen und ihren Kindern einen Schutzplatz bieten können.

110 Frauen und ihre Kinder mussten wir seit Jahresbeginn wegen Vollbelegung ablehnen. In diesen Fällen bemühen wir uns um einen Platz in einem anderen Frauenhaus. Oder wir geben als Notlösung die Telefonnummern von Frauenhäusern mit, in denen es noch freie Plätze geben soll. Wie viele Frauen, auf der eigenen Suche nach Schutz, den Mut und die Kraft verlieren und beim Täter bleiben, wissen wir nicht. Selten melden sie sich ein zweites Mal – hoffentlich ein gutes Zeichen, vielleicht das Gegenteil.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich beim Opferschutz einiges zum Positiven entwickelt. 2002 kam das Gewaltschutzgesetz, der Nein-heißt-Nein-Grundsatz wurde im Sexualstrafrecht verankert. Trotz dieser Entwicklung verzichten viele der betroffenen Frauen, die bei uns in der Beratungsstelle oder im Schutzhaus begleitet werden, darauf eine Anzeige bei der Polizei zu machen. Die Folgen eines Ermittlungsverfahrens sind für die Betroffenen oft schwer zu ertragen, die Erfolgsaussichten schlecht, die Schmerzensgeldsummen gering.


Ein Fall zeigt die Brisanz: nach Anzeige und begonnenem Ermittlungsverfahren bestreitet der Beschuldigte die Tat, zudem gebe es keine unbeteiligten Zeugen. Das Gericht beurteilt den Fall so, dass – auch vor dem Hintergrund der erfolgten strittigen Trennung – berücksichtigt werden müsse, dass jede Partei versucht, das Tatgeschehen möglichst positiv im eigenen Interesse darzustellen. Das Ermittlungsverfahren wurde ohne gesehenen Anlass zur Klageerhebung eingestellt.

Aus Erzählungen der Frauen von Gerichtsverhandlungen wissen wir, dass es immer wieder zu einer Täter-Opfer-Umkehr kommt. Die Frau muss sich dann rechtfertigen, warum sie ihren schlagenden Partner nicht viel früher verlassen hat oder warum sie noch einmal zu ihm zurückgekehrt ist. Auch hält sich hartnäckig das Klischee der lügenden oder übertreibenden Frau, die sich nur rächen oder dem Vater das Umgangsrecht nehmen will.

Aber welche Frau zieht freiwillig in ein Frauenhaus, nur um sich an ihrem Ex zu rächen? Für eine Studie werteten Forscherinnen und Forscher Fälle von angezeigten Gewaltübergriffen auf Frauen im häuslichen Kontext aus. In 8 der 136 Fälle hatte es Falschbeschuldigungen gegeben. Ähnlich angelegte Untersuchungen kommen zu vergleichbaren Ergebnissen, die Häufigkeit erlogener Anschuldigungen schwankt dabei zwischen 2 und 10 %.

In der Arbeit mit von Gewalt betroffener Frauen leitet uns der Grundsatz der Parteilichkeit und des Respekts vor der eigenen Entscheidung der Frauen, Strafanzeige bleibt dabei eine Option, keine Bedingung.


Die staatlichen Fördermittel reichen nicht aus, damit der Verein Frauen helfen Frauen Ortenau e. V. jeden Tag unbesorgt antreten kann, betroffenen Frauen und ihren Kindern Schutz, Beratung und Begleitung zu geben. All die Menschen, die uns durch ihre Spenden und Mitgliedsbeiträge unterstützen, sind für uns und unsere Arbeit unerlässlich.

Wir freuen uns über jede Spende!
Die Spenden sind steuerlich absetzbar.

Unser Spendenkonto:
Frauen helfen Frauen Ortenau e. V.
Volksbank Offenburg eG
IBAN DE39 6649 0000 0006 6493 00
BIC GENODE61OG1

All den Menschen, die uns in unserer täglichen Arbeit mit von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern unterstützen, ist es Zeit, DANKE zu sagen.

DANKE

dass Sie hinschauen und zuhören.

DANKE

dass Sie uns durch Ihre Spenden und Zuschüsse unterstützen.

DANKE

dass wir uns immer auf Sie verlassen können.

Jahresbericht 2019

Die polizeiliche Kriminalstatistik Baden Württemberg verzeichnete im Jahr 2019 12.125 Fälle von häuslicher Gewalt, fast 10.000 verübt an Frauen, 27 von Ihnen wurden getötet … die Dunkelziffer liegt deutlich höher.

Die polizeiliche Kriminalstatistik Baden Württemberg verzeichnete im Jahr 2019 12.125 Fälle von häuslicher Gewalt, fast 10.000 verübt an Frauen, 27 von Ihnen wurden getötet … die Dunkelziffer liegt deutlich höher.

Doch bereits diese 10.000 betroffenen Frauen aus dem letzten Jahr sind schwer vorstellbar.

Zum Vergleich: das sind

  • alle Frauen aus Oberkirch oder …
  • jede 2. Frau aus Lahr bzw. Kehl oder …
  • jede 3. Frau aus Offenburg

Und eins darf man nie vergessen – hinter jeder Zahl steht ein Schicksal:

  • Eine junge Frau, die in einer glücklichen Ehe gelebt hat, bis sie berufsbedingt als Familie wegziehen mussten, der Mann sich der rechtsradikalen Szene angeschlossen hat und gewalttätig wurde
  • Eine Frau, die mit ihren schwerst traumatisierten Kindern vor ihrem gewalttätigen Mann geflüchtet ist, all ihren Mut zusammengenommen hat, um sich hier – ohne soziales Netz, ohne Kindergartenplätze, ohne … – ein neues Leben ohne Gewalt aufzubauen
  • Oder eine schwangere Frau, die kurz vor der Geburt zu uns gekommen ist, um sich und ihrem Baby eine Zukunft zu geben, die nicht bestimmt ist von Angst und Schmerz


Nicht nur die Häufigkeit, mit der häusliche Gewalt vorkommt, wird oft unterschätzt, sondern auch über den betroffenen Personenkreis herrschen falsche Vorstellungen: das Bild des trinkenden, sozial schwach gestellten, prügelnden Ehemannes entspricht nicht der Realität. Gewalt kommt in den besten Familien vor und macht weder vor Bildung noch vor Wohlstand Halt, das heißt, im Akademikerhaushalt wird genauso häufig Gewalt gegenüber Frauen ausgeübt wie anderswo. Gleichzeitig besteht in den bildungsnäheren Schichten eine große Scham über die Gewaltsituation zu sprechen und sich Hilfe zu holen. 


Aus Angst …

  • vor noch massiveren Bedrohungen und Gewalt, wenn sie sich gegen den/die Täter(in) stellen, indem sie die Gewalt öffentlich machen,
  • dass ihnen nicht geglaubt wird,
  • vor der Reaktion des Umfeldes, dass sie verachtet werden, 
  • ohne finanzielle Mittel dazustehen und nicht zu wissen, wie sie den Lebensunterhalt bestreiten können,
  • dass ihnen niemand zur Seite steht,
  • alleine zu sein,
  • … dauern die Gewaltbeziehungen oftmals sehr lange an.


Und auch das sagt die Statistik:

In über der Hälfte der Polizeieinsätze befanden sich Kinder am Tatort, von denen die meisten jünger als 12 Jahre waren. Dass unter der belastenden Situation auch ihre Kinder leiden, vergrößert den Druck der Frauen zusätzlich. Wenn Kinder Zeugen von Gewalt (gegen die eigene Mutter) sind bzw. sein müssen, versuchen sie häufig, die Mutter zu schützen. Wenn/weil sie nicht helfen können, plagen sie Hilflosigkeit, Angst, Entsetzen und Schuldgefühle.

Wirft man einen Blick auf die konkrete Beratung, haben wir zunächst die rechtliche Situation: Die Einordnung von Körperverletzungen, Nötigungen etc. gelingt meist noch problemlos, dann kommen all die Fragen, die der häuslichen Gewalt folgen: Was wird aus der gemeinsamen Wohnung, sind Kinder vorhanden, wie ist der künftige Umgang zu regeln etc.?

Auf der anderen Seite stehen die persönlichen, die körperlichen und psychischen Folgen. Oft trauen sich Opfer von häuslicher Gewalt erst nach einer längeren Zeit, ihre Situation aktiv zu verändern.

In nur einem Jahr ist der Beratungsbedarf in unserer Fachberatungsstelle um mehr als 20 % auf über 400 Beratungen in 2019 gestiegen, innerhalb von 5 Jahren ist dies eine Steigerung um fast 100 %.

Viele Frauen fühlen sich verantwortlich für das Funktionieren der Beziehung, erleben es als ihr Versagen, wenn die Beziehung scheitert, sie wollen dem Partner noch eine Chance geben, sie haben Mitleid mit ihm, machen sich Sorgen, wer sich dann um ihn kümmert, sie wollen den Kindern nicht den Vater nehmen, sind ratlos, wie sie nach einer Trennung allein zurecht kommen, sie machen sich Sorgen um die finanzielle Zukunft. Häufig gelingt die Trennung oder die Beendigung der Gewalt erst nach mehreren Versuchen. Viele Betroffene brauchen einige Anläufe, den richtigen Zeitpunkt und die passende Unterstützung, um diesen Weg zu gehen.

Für die Befreiung aus der Gewaltbeziehung spricht die Aussicht auf ein gewaltfreies, selbstbestimmtes Leben. Wiedergefundenes Selbstvertrauen und neu gewonnene Sicherheit können Müttern (und ihren Kindern) Wege eröffnen.

In diesem z. T. sehr komplexen Prozess stehen unsere Beraterinnen in der Fachberatungsstelle den Frauen zur Seite, suchen mit ihnen gemeinsam Wege und respektieren bei allen Angeboten, ob und welche Hilfe die Frauen möchten und was sie im Moment benötigen – unsere Schlüsselwörter dabei sind Schutz, Sicherheit und Unterstützung.

Wo immer möglich und nötig beraten wir in unseren Räumlichkeiten, haben aber auch die technischen Möglichkeiten geschaffen für die Beratung per Telefon, Video-Telefonie oder Online-Beratung.


Seit Vereinsgründung vor mehr als 35 Jahren ist es dem Verein gelungen, eine gut funktionierende Vernetzung mit allen relevanten Akteuren im regionalen und überregionalen Umfeld aufzubauen. In 2019 haben wir uns (über)regional in fast 15 Arbeitskreisen als aktive Partnerinnen und thematisch eingebracht. In dieser engen Zusammenarbeit konnten wir erreichen, dass die Perspektive vom Bedürfnis der Opfer nach Schutz und Unterstützung zum Recht der Opfer auf Schutz und Unterstützung wechselt.

Seit unserer Gründung konnten wir rund 1.800 Frauen und ca. gleich vielen Kindern in unserem Frauenhaus Schutz und Begleitung. Aber!! Allein in 2019 konnten wir 100 Frauen und Kinder wegen Vollbelegung nicht aufnehmen.

Dank großartiger Unterstützung durch den Ortenaukreis haben wir die Weichen gestellt, zukünftig 20 Frauen und ihren Kindern einen Schutzplatz zu bieten.

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Frauen helfen Frauen e.V.
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Wir haben passende Räumlichkeiten gesucht und gefunden, notwendige Renovierungen angestoßen und begleitet, Räume geplant und umgeplant, Sicherheitssysteme installiert, Kisten gepackt und beschriftet, Personal gesucht und eingestellt, den Tagessatz nachgerechnet und (neu) verhandelt, Möbel aufgebaut, Willkommenspräsente vorbereitet … alles getan, um den betroffenen Frauen und ihren Kindern ein kleines Stück Würde und Zukunft (zurück)zugeben. Kaum war unser neues Haus eröffnet, waren schon alle Plätze belegt.

Trotz der im Ortenaukreis bereitgestellten Plätze beziffert das Sozialministerium die Zahl der fehlenden Plätze in Baden Württemberg aktuell auf 633.